Laudatio von Freya Lüdeke
„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. – Artikel 16a Grundgesetz.
Flüchtling ist eine Person, die „aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe”in einem anderen Staat Schutz sucht. – Genfer Flüchtlingskonvention.
„[33] Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken.
[34] Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der HERR, euer Gott“ – 3. Buch Mose, Vers 33-34.
Mit welchen Büchern auch immer Sie sich identifizieren – dem Gesetzbuch, den Heiligen Schriften oder internationalen Abkommen – der Flüchtlingsschutz steht festgeschrieben.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir sind heute Abend hier zusammengekommen, um einen Verein zu feiern, der sich für geflüchtete Menschen engagiert und ihnen hilft, Jülicherinnen und Jülicher zu werden.
Liebe Mitglieder des Arbeitskreises Asyl: herzlichen Glückwunsch, Ihr werdet heute geehrt!
Ihr werdet geehrt für Euer Engagement, welches Ihr nun seit 33 Jahren unermüdlich betreibt. Geflüchtete Menschen kamen schon immer nach Jülich, mal mehr, mal weniger zahlreich. Ihr habt Euch in den 80er Jahren zusammengeschlossen, um diesen Menschen zu helfen und das Thema in Politik und Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Zu Euren Aufgaben zählen Öffentlichkeitsarbeit, Abbau von Vorurteilen und Vermittlung von Informationen.
Ihr habt Euch in den 90er Jahren vermehrt um Geflüchtete vom Balkan gekümmert und habt die Folgen des sogenannten Asylkompromisses, also der Verschärfung des Asylrechts, in den Neunziger- und den Nuller-Jahren beobachten können.
Ich kam im Jahr 2013 als Flüchtlingsberaterin zum Diakonischen Werk des Kirchenkreises Jülich und habe mit Euch zusammen hautnah erlebt, was die, vor allem durch den Syrienkrieg und andere Konflikte und Kriege, hervorgerufenen Fluchtbewegungen hier in Deutschland auslösten und welche Auswirkungen sie auf die Geflüchteten selbst hatten.
Da gab es auf einmal eine breite Willkommenskultur in der Bevölkerung, die sich auch in Jülich bemerkbar machte; da gab es von Seiten der Politik und Verwaltung logistische Herausforderungen, auch auf lokaler Ebene; hier in Jülich wurde Euer Engagement dankbar angenommen: wie gut, dass Ihr schon da ward. Und da waren auf einmal zahlreiche Menschen mehr, die unterstützt werden mussten, sich in Jülich zurechtzufinden und die Fragen hatten zu Themen wie Schule, Kindergarten, Deutschlernen, Wohnungssuche oder deutscher Bürokratie. Auch bei ihrer Unsicherheit im Asylverfahren und im Schmerz über die verlorene Heimat konnten sie auf Euren Beistand zählen. Und dann, nach dieser Euphorie, die einige Zeit anhielt, schwindet die Willkommenskultur nun langsam und andere Stimmen werden wieder gehört…
Die Flüchtlinge aber bleiben zumeist. Und Ihr ward immer da und seid es noch heute.
Dafür gebührt Euch Dank, nicht nur von meiner Seite. Persönlich bin ich dankbar für Eure Unterstützung im Alltag und unser vertrauensvolles Verhältnis. Ich kann mich an Euch wenden, wenn Klientinnen und Klienten von mir im Alltag Hilfestellung brauchen oder in finanzielle Not geraten, weil sie zum Beispiel den Flug für die Familienzusammenführung selbst zahlen müssen. Ihr seid sehr großzügig; seid aber selbst auch auf Spenden angewiesen, um finanzielle Mittel geben zu können. So bekommt Ihr von Organisationen wie dem Kleiderlädchen oder den Kleinen Händen Spenden, seid außerdem als Verein seit dem Jahr 2016 Begünstigte des landesgeförderten Programms Komm-An über das Kommunale Integrationszentrum des Kreises Düren, welches Euch erlaubt, mit Eurer Arbeit eine größere Reichweite zu erzielen.
Ich bin dankbar, dass Ihr ganz selbstverständlich zu Jülich dazugehört und nun eben auch von einer Partei für Eure Vereinsarbeit geehrt werdet.
Auch wenn die große politische Bühne, die Deutsche, die Europäische, oft absurd weit weg ist vom täglichen Leben eines Individuums, eines geflüchteten Menschen hier in Jülich, so ist Euer Handeln in Jülich sehr wohl Politik. Ihr engagiert Euch alle ehrenamtlich, also privat. Dass das Private Politisch ist, galt nicht nur in der Frauenbewegung der 60er und 70er Jahre, sondern es gilt noch heute! Mit Eurem Tun setzt Ihr ein Zeichen! Ein bitter-nötiges Zeichen für Akzeptanz und Inklusion. Ihr macht deutlich, dass man die Welt nicht so lassen muss, wie sie ist, sondern wir alle uns aktiv einmischen und in unserem Rahmen gestalten können.
Euer alltägliches Tun, auch wenn es im Kleinen passiert, ist somit hochpolitisch. Denn Ihr tretet ein für die Rechte von Menschen, denen es an Lobby fehlt und deren Rechte nach wie vor eingeschränkt werden. Ihr ermöglicht Ihnen Teilnahme und Teilhabe an der Gesellschaft.
Ihr geht auch raus an die Öffentlichkeit. Ich habe es ein paar Mal erlebt, dass Ihr im Rahmen der Interkulturellen Woche mit einem Stand vor Fischer auf der Straße steht. Und es kommen Menschen vorbei, die ihr Unverständnis gegen Euch äußern; ihr Unverständnis für Euer Engagement für Flüchtlinge, „wo doch genügend Deutsche arm sind“. Aber Ihr bleibt gesprächsbereit und standhaft; und Ihr lasst es nicht zu, dass Menschen hier gegeneinander ausgespielt werden, die alle nicht zur „Mitte der Gesellschaft“ gehören und deren Privilegien haben. Euer Engagement für Flüchtlinge ist auch eine Forderung an die Sozialpolitik.
Eure größte Leidenschaft ist es aber, Freude zu verbreiten. Ihr gebt Kindern Freude und Lachen.
„Flüchtling sein“ heißt nicht, dass man ständig im Leiden verhaftet bleibt. Nein, „Flüchtling
sein“ sollte auch ein „Ankommen“ miteinschließen. Und genau darauf zielen Eure Aktivitäten ab: dass Ihr den Kindern und ihren Familien ein Ankommen in Jülich ermöglicht und ihnen Freude bereitet.
Ihr gestaltet ein liebevolles Ferienprogramm für die Jüngsten unter den Geflüchteten, organisiert für viele Familien Ausflüge ins Bubenheimer Spieleland oder verbringt mit ihnen einen Tag im Brückenkopfpark. Neulich habt Ihr sogar für 150 Personen ein Schiff auf dem Rhein gechartert. Eure Ausflüge werden gern und dankbar angenommen und hinterlassen nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei Euch ein Strahlen.
Außerdem seid Ihr in der Einzelfallhilfe aktiv. Viele von Euch betreuen Einzelpersonen oder Familien, mit denen Ihr Euch privat trefft und Beziehungen aufgebaut habt. Im persönlichen Kontakt unterstützt Ihr mit Nachhilfeangeboten beim Deutschlernen oder während der Ausbildung, entlastet Familien mit den Kindern, begleitet im Alltag, unterstützt bei der Wohnungssuche.
Als in den letzten Jahren wieder vermehrt Flüchtlinge nach Jülich zugewiesen wurden, habt Ihr, um mehr Menschen zu erreichen, einen Deutschlernkurs übernommen und das Cafe Kontakt gegründet. Das Cafe habt Ihr ins Leben gerufen, damit sich geflüchtete Neu-Jülicherinnen und Jülicher mit Alt-Jülicherinnen und Jülichern begegnen können. In liebevoller Arbeit bereitet Ihr Kuchen vor und teilt Kaffee aus an jedem zweiten Donnerstag in den Räumen der evangelischen Kirchengemeinde, im Dietrich Bonhoeffer Haus, welches Euch schon lange als Ort Eurer Mitgliederversammlungen dient.
Eure Arbeit ist von gegenseitigem Geben und Nehmen geprägt. So unterstützen Euch einige Geflüchtete, z.B. im Cafe Kontakt, um etwas für Eure Hilfe zurückzugeben. Ich sprach einmal eine Klientin von mir an, dass ich es toll fände, dass sie mithelfe. Sie winkte ab und sagte, sie könne gar nicht genug „danke“ sagen und ihre Mithilfe sei das Einzige, wie sie sich Euch erkenntlich zeigen könnte für all die Unterstützung.
In diesem Cafe steht zwar die Geselligkeit an erster Stelle – zwischen 35 und 50 Menschen kommen an diesen Tagen zu Euch – aber selbstverständlich können und sollen auch Probleme und Bitten an Euch herangetragen werden und Ihr gebt jeder und jedem ein offenes Ohr.
Und dies ist auch das Wichtigste für mich persönlich: der Aufenthaltsstatus des Menschen ist für Euch irrelevant, Ihr begegnet nicht dem anerkannten Syrer oder der abgelehnten Albanerin, sondern dem Menschen.
Zur Feier Eures 30-jährigen Bestehens sagtet Ihr: „Ein viel größerer Grund zum Feiern wäre es, wenn der Arbeitskreis sich auflösen könnte, weil er überflüssig geworden ist“.
Ein frommer Wunsch, der impliziert, dass Ihr Euch eine Gesellschaft wünscht, in der Geflüchtete ganz selbstverständlich dazugehören. Ein Wunsch auch nach Frieden in der Welt und gerechter Verteilung der Ressourcen, damit Menschen nicht gezwungen werden, ihr Zuhause zu verlassen.
Ich bin froh, dass Ihr da seid. Wir werden die Welt nicht zeitnah ändern können; aber die Pflicht auch als Individuum geradezustehen für gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge, ist für Euch wichtiger Teil Eures Selbstverständnisses.
Es gibt viele Menschen in Jülich, die sehr froh sind, dass es Euch gibt.
Herzlichen Glückwunsch!