Rede von Elisabeth Vietzke zur 100 Jahrfeier der SPD Jülich
Kurze Vorbemerkung: 100 Jahre SPD-Geschichte in 25 Minuten? Eine fast unlösbare Aufgabe. Aber ich habe es versucht!
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde,
Herzlich lade ich Euch zu einer Zeitreise ein, die vor mehr als hundert Jahren beginnt und in teils kleinen, teils großen Schritten im 21.Jahrhundert endet.
Ende des 19. Jahrhunderts ist das politische Leben in der preußischen Garnisonsstadt Jülich von den Ideen der staatstragenden katholischen Zentrumspartei und den bürgerlichen Kreisen geprägt. Und der Jülicher Bürgermeister, der dem königlichen Landrat in regelmäßigen Abständen über den
„Stand der Socialdemokratie in der Stadtgemeinde Jülich“ Bericht erstatten muss, berichtet folgendes am 1. Sept. 1894: „Euer Hochwohlgeboren habe ich …. zu berichten, dass socialdemokratische Bestrebungen unter der hiesigen Bevölkerung bis jetzt nicht wahrgenommen worden sind. …Die beiden hier bestehenden Blätter beobachten nach wie vor eine loyale Haltung und lassen es sich angelegen sein, die Socialdemokratie und ihre Bestrebungen zu bekämpfen und ihren Leserkreis über die Gemeingefährlichkeit derselben aufzuklären.“
Wir reisen weiter ins Jahr 1918.
Es ist das vierte Kriegsjahr.Die Versorgungslage der deutschen Bevölkerung ist prekär. Das Deutsche Heer erlebt viele Niederlagen im Westen. Ludendorff und Hindenburg von der OHL, der Obersten Heeresleitung, erkennen, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen ist und fordern sofortige Waffenstillstandsverhandlungen. Anfang November beginnt der Matrosenaufstand in Kiel. Es bilden sich rasch Soldaten- und Arbeiterräte in ganz Deutschland. In Berlin ruft am 9. November der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann die deutsche Republik aus. Kaiser Wilhelm II. dankt ab und flieht ins Exil in die Niederlande. Prinz Max von Baden ernennt den Sozialdemokraten Friedrich Ebert zu seinem Nachfolger als Reichskanzler.
.Am 11. November unterschreibt der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger das Waffenstillstandsabkommen in Compiègne in Frankreich. Der Erste Weltkrieg ist zu Ende.
Am 12. November verkündet der Rat der Volksbeauftragten das gleiche, geheime, direkte, allgemeine Wahlrecht für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen. Nun dürfen auch die Frauen wählen!
Wir kehren zurück in unsere rheinische Kleinstadt und stellen fest, dass dieser Aufbruch und Umbruch im ganzen Reich auch bis nach Jülich gedrungen ist. In den letzten Kriegstagen wählen die in der Zitadelle stationierten Soldaten einen Soldatenrat, der für sich die“vollkommene Gewalt“ beansprucht und verspricht, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, und sich als Arbeiter- und Soldatenrat darum kümmert, die hungernde Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen. Der Sozialdemokrat Bertram Wieland aus Düren bringt es in einer Versammlung auf den Punkt: „Wenn die Sozialdemokratie bei der kommenden großen Volksabstimmung die Mehrheit erhält, so gibt es keine Klassenherrschaft mehr. Auch die Frauen müssen mitwählen“. Und im „Jülicher Kreisblatt“ finden wir einen Bericht über eine sozialdemokratische Versammlung, die am 15. November in der Turnhalle des Gymnasiums stattgefunden hat: „Den Bericht des Abends über die Ziele der Sozialdemokratie hatte Herr Wieland (Düren) übernommen, der bekanntlich vor wenigen Tagen erst an derselben Stelle über dasselbe Thema gesprochen hat. …Eingehend erörterte der Redner die verschiedenen Punkte der bekannten sozialdemokratischen Proklamation: Versammlungsfreiheit, Trennung von Staat und Kirche, Achtstundentag usw., um mit dem Versprechen zu schließen, daß sonnige Tage für Deutschland anbrechen würden, wenn es der Zusammenarbeit des befreiten Volkes gelingt, die Welt nach dem sozialdemokratischen Programm umzugestalten“ . Der Widerspruch aus der meist bürgerlichen Zuhörerschaft kommt prompt: Man wirft der Sozialdemokratie vor, „sie habe die Not des Vaterlandes zum Umsturz benutzt“ und man lehnt entschieden die Trennung von Staat und Kirche ab. Kaplan Lempertz kritisiert: „Die Sozialdemokratie sei stets religionsfeindlich gewesen und werde es bleiben, so sehr sie sich auch bestrebe, besonders in unserem ländlichen Kreise das zu verwischen.“ Ob Wielands Einwand, entscheidend sei das Programm der Partei und darin stehe, dass Religion Privatsache sei, diese Zuhörer überzeugen konnte, kann bezweifelt werden. Der Bericht der Zeitung schließt mit: „Der Umstand, dass infolge der Gassperre die Setzmaschine morgens nur wenige Stunden arbeiten kann, zwingt uns, auf die Diskussion nicht näher eingehen zu können. Es war 10 Uhr, als Genosse Honrath (Aachen) die öffentliche Versammlung schloss und nur diejenigen zu bleiben bat, die sich in die Partei einschreiben lassen und die Ortsgruppe Jülich bilden wollten. Der allergrößte Teil der Anwesenden verließ darauf den Saal.“
Wie kommt es, dass sich auch in Jülich mit seiner katholisch geprägten, bürgerlichen Struktur eine sozialdemokratische Ortsgruppe bilden kann? Am 1. August 1918 wird die Eisenbahnhauptwerkstätte in Jülich-Süd in Betrieb genommen. Viele Arbeiter aus dem ganzen Reichsgebiet kommen nach Jülich,- es sind im November schon mehr als 200 – nicht wenige von ihnen fühlen sich von den Ideen der Arbeiterbewegung angezogen, einige sind schon Mitglied der Sozialdemokratie. So wird die Eisenbahnhauptwerkstätte zur Keimzelle der Jülicher SPD. Für die Arbeiter müssen viele Wohnungen gebaut werden, ein neuer Stadtteil, das Heckfeld, entsteht in den folgenden Jahren.
Zur Gründung der Jülicher Ortsgruppe der SPD trifft man sich in der Gaststätte Glaremin in der Grünstraße, um den ersten Vorstand zu wählen. Es ist wohl einige Tage nach der eben erwähnten Versammlung. Als erster Vorsitzender wird der Buchdrucker Hugo Freudenthal gewählt, der in der Buchdruckerei Josef Fischer arbeitet. Ich nenne kurz die Namen der anderen Vorstandsmitglieder:
von Ameln, Maurer; Ewald Bigalla, Glaser; Peter Neunfinger, Schreiner; Franz Weitz, Dreher; Leonhard Creutz, Steinmetz; Karl Dank, Anstreicher und Jakob Weitz, Arbeiter.
Wenig später, am 3. Dezember wird Jülich wie das ganze linksrheinische Rheinland besetzt. In Jülich sind es belgische Truppen. Der Soldatenrat muss sich auflösen. Die Besetzung dauert bis Ende 1929.
Am 14.12.1919 finden Kommunalwahlen statt. Nun dürfen auch Frauen wählen. Zum ersten Mal in Jülichs Geschichte werden drei SPD Mitglieder, der Maurer von Ameln, der Eisenbahnhandwerker Stolz und der Rechtskonsulent Wilhelmy, zu Stadtverordneten gewählt. Den SPD- Stadtverordneten wird die politische Arbeit nicht leicht gemacht: ihre Anträge werden in der Regel von der Zentrumsmehrheit abgelehnt: 1931 geht es um die Verteilung der Geldmittel im Haushaltsplan. Der Stadtverordnete Hünerbein beantragt, die 1000 RM des Kriegerdenkmals doch besser für die Kriegsopfer selber zu verwenden. Der Antrag wird abgelehnt. Doch hie und da wird ihnen auch ein kleiner Erfolg zugebilligt, wie bei einer Straßenumbenennung (Rurhof in August-Bebel-Platz, eine Umbenennung, die 1933 sofort wieder rückgängig gemacht wird: heute heißt er Freiherr-vom-Stein-Platz). Aber noch gravierender und wohl auch deprimierender ist es für die Sozialdemokraten, dass die Presse sie in den ersten Jahren totschweigt: es erscheinen weder Berichte noch Ankündigungen, nicht einmal bezahlte Wahlveranstaltungsanzeigen werden vom „Jülicher Kreisblatt“ angenommen – die SPD erscheint nur in amtlichen Bekanntmachungen. Dies ändert sich erst durch Intervention der Besatzungsbehörden.
Aber die Sozialdemokraten engagieren sich nicht nur in der Kommunalpolitik. Sie halten den Betriebsrat des Reichsbahnausbesserungswerkes und den Gemeinnützigen Bauverein fest in ihren Händen. Sie entsenden ihre Delegierten in die sozialen Einrichtungen, wie die Allgemeine Ortskrankenkasse. Die Sozialdemokraten haben einen Arbeiter-Radfahrerverein, einen Arbeiter-Fußballverein, einen Arbeiter-Gesangsverein und den Verein der Naturfreunde.
Stellvertretend für die Genossen aus dieser Zeit nenne ich: Gustav Dieden, Heinrich Hünerbein, Josef Hommen, Andreas Poick, Jakob Weitz.
Wir nähern uns auf unserer Reise dem Ende der Weimarer Zeit. Auch in Jülich radikalisiert sich das politische Leben. Es gibt hier neben dem rechtsgerichteten „Stahlhelm“, das der Weimarer Koalition verbundene „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“, und die von SPD- Anhängern gegründete „Eiserne Front“ (1932: 80 Mitglieder).
Die wohl letzte legale Straßendemonstration wird im Februar 1933, also nach der Machtübernahme von Adolf Hitler als deutscher Reichskanzler am 30. Januar, von der „Eisernen Front“ unter dem Vorsitz von Andreas Poick (1932 auch SPD-Ortsvereinsvorsitzender) organisiert. Es gehört schon ein gerüttelt Maß an Mut und Einsatzwillen dazu, sich in jenen Tagen öffentlich zur SPD zu bekennen, und mit Plakaten „Für Freiheit und Brot“ und „Gegen Reaktion, für Sozialismus“ zu demonstrieren. 600 Jülicher nehmen daran teil. Im März wird in Jülich das neue Stadtparlament gewählt. Die beiden gewählten Sozialdemokraten Hommen und Hünerbein können ihr Mandat nicht antreten, sie werden zusammen mit Poick verhaftet,von Schnellrichtern wegen Verstoßes gegen das Pressegesetz verurteilt und in der Zitadelle inhaftiert. Ihr Vergehen? Sie hatten vor der Wahl Wahlwerbezettel verteilen lassen. Nach ihrer Entlassung aus der Haft verlieren sie ihre Arbeitsplätze im Reichsbahnausbesserungswerk.
In der Reichstagssitzung am 24. März 1933 in Berlin stimmt die SPD-Fraktion als einzige Partei gegen die Entmachtung des Parlaments, gegen das „Ermächtigungsgesetz“.
Im Juni 1933 wird die SPD in Deutschland verboten.
Wir werden unsere Reise nun mit größerer Geschwindigkeit fortsetzen.
Dem Überfall der deutschen Armee auf Polen im September 1939 folgen fünf Kriegsjahre mit über 50 Millionen Toten, ein Krieg, der gerade gegen Ende auch für die Bevölkerung im Westen zu Tod und Zerstörung führt.
Der Bombenangriff der Alliierten vom 16.11.1944 zerstört die Stadt fast völlig.
Am 9. Mai 1945 ist der Krieg zu Ende. Deutschland liegt in Trümmern und ist besetzt. Die ersten Jülicher kehren in ihre zerstörte Heimatstadt zurück. Jülich liegt in der Britischen Zone.
Im Herbst 1945 sind demokratische Parteien wieder erlaubt. Andreas Poick, Gustav Dieden und Josef Hommen, Namen , die uns auf unserer Reise schon begegnet sind, sie wollen jetzt, nach 12 Jahren der Erniedrigung und Entbehrungen den Neubeginn für Jülich in Freiheit und Solidarität mitgestalten.
Im Februar 1946 findet die erste Mitgliederversammlung der SPD in Jülich statt und man ist stolz, eine alte Partei zu sein, die nicht erst nach dem Krieg neu gegründet werden muss.Es geht auf den Versammlungen um Wiederaufbau, Versorgung der Bevölkerung, die Wiederaufnahme des Betriebs im Reichsbahnausbesserungswerk und kommunale Selbstverwaltung.
Am 11.3.1946 ernennt die Militärregierung Josef Hommen zum ersten politischen Bürgermeister der Stadt.Zwei Sätze aus seiner Antrittsrede: Aus Ruinen muss neues Leben erstehen. und Die Jugend muss in demokratischem Geist erzogen werden.
Dieses Ziel will die SPD-Jugendorganisation „die Falken“ erreichen, die mit abwechslungsreichen Freizeitangeboten und Diskussionen viele Jugendliche begeistert. Es werden bald 100 Mitglieder. In Eigenregie errichten sie ein eigenes Jugendheim (neben dem heutigen AWO-Heim). In den 60er Jahren geht die Mitgliederzahl zurück. Karl Heinz Chardin, der letzte Vorsitzende vor der Auflösung schließt sich 1967 der in Jülich neu gegründeten Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialisten unter dem Vorsitz von Hans Meyer an.
Im Oktober 1948 ist wieder Kommunalwahl: Die SPD erhält sechs, die CDU fünf, das Zentrum einen Sitz im Stadtrat: Bedingt durch diese Pattsituation lösen sich in den nächsten 4 Jahren Hommen(SPD) und Röttgen(CDU) als Bürgermeister im jährlichen Wechsel ab.
Auf unserer Zeitreise durch die 50er, 60er und 70er Jahre begegnen uns viele neue Gesichter. Im Hambacher Forst ist die Kernforschungsanlage entstanden, viele Wissenschaftler, Sachbearbeiter und Ingenieure ziehen mit ihren Familien nach Jülich und nicht nur in der SPD werden die Karten neu gemischt: Richard Neumann, Hans Meyer, Winfried Grüter, um nur einige Namen zu nennen, bringen neue Ideen in die Arbeiterpartei, die sich nun in eine fortschrittliche linke Volkspartei entwickelt. Im Ortsverein gelingt nach anfänglichen Kontroversen zwischen den Muttkraten und den „Doktoren von der KFA“ eine produktive Zusammenarbeit. Den Vorsitz im Ortsverein übernehmen im Wechsel Muttkrate und Neubürger: Karl Heinz Chardin, Wolfgang Sturm, Fritz Heldt, Fritz Hellwig, Toni Hecker. 1964 erhält die SPD bei der Kommunalwahl 40,4% der Stimmen. Im Stadtrat sitzt nun auch eine Frau, Elisabeth Anger, aufgestellt von der SPD. 5 Jahre später werden zwei Frauen in den Stadtrat gewählt: Sabine Hopmann und Marianne Kreft. Sabine Hopmann setzt sich nicht nur dafür ein, mehr Frauen für die Politik zu interessieren, sondern sie ist auch die Initiatorin einer SPD-Zeitung, „SPD-Telegramm“, das in einer Auflage von 4.000 Stück in ganz Jülich verteilt wird und mit Kritik an gesellschaftlichen Missständen nicht hinterm Berg hält. Die Zeitung wird zum „SPD Jülich Informationsblatt“, und ab 1976 zum „Jülicher Ortsgespräch“, das in loser Folge bis 2001 erscheint. Vielleicht auch länger, aber in meinen Unterlagen habe ich keine neuere Zeitung gefunden.
Aus der Opposition heraus brauchen die Sozialdemokraten einen langen Atem, die Neuorientiereungen im Bildungs- und Sozialbereich durchzusetzen.
Ein Beispiel ist die Schulpolitik: Die Grundschulen in Jülich sind in den 60er Jahren ausschließlich Konfessionsschulen. Der Zähigkeit von Eckart Rose, unterstützt von vielen Parteigenossen, ist es zu verdanken, dass Jülich 1966 die erste Gemeinschaftsgrundschule erhält, der bald weitere folgen.
Aber es gibt auch Anträge, die von der Mehrheit mitgetragen werden. So der SPD-Antrag, in Jülich eine städtische Musikschule zu errichten, um das Bildungsangebot der Stadt zu erweitern. Eine bis heute erfolgreiche Einrichtung, die es trotz aller Sparmaßnahmen verdient, dass sie erhalten bleibt.
Unsere Zeitreise geht weiter.
1984 hat Jülich wieder einen SPD-Bürgermeister Heinz Schmidt (20 SPD-Stadtverordnete, wir Frauen sind nun zu dritt: außer mir, Friederike Doose und Brigitte Sturm) und 65 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts durch die SPD eine Bürgermeisterin. Friederike Doose wird zweite stellvertretende Bürgermeisterin einer „rot-grünen Liste“.
Für diese 10 Jahre unserer Zeitreise mit Heinz Schmidt als Bürgermeister gebe ich nur ein paar Stichpunkte: Schuldenabbau, Innenstadtsanierung, Kulturhaus, Aktivierung des Umweltschutzes, Gleichstellungsbeauftrage, Bildung eines Ausländerbeirats, Ausbau des Radwegenetzes, Dorfplatzsanierung, die Vorbereitungen für die Landesgartenschau 1998, Technologiezentrum – um nur einiges aus den großen Projekten dieser Zeit zu nennen, einer Zeit, die viele als Aufbruch empfinden. Nicht zu vergessen die SPD- Sommerfeste auf dem Schlossplatz und im Nordviertel. Friederike Doose, Hans Peter Bochem, Hans Meyer, Richard Neumann, Wolfgang Faul, Hans Lennartz, um nur einige Namen zu nennen, doch es waren viel mehr, die diese Erfolge ermöglicht haben. Adi Retz, der SPD- Landtagsabgeordnete in Düsseldorf, weiß um die Fördermittel, die die Städte beantragen können, und so fließen viele Landesmittel nach Jülich. Als Landrat erreicht er, dass die von der Bundesbahn aufgegebene Bahnstrecke Linnich-Heimbach vom Kreis übernommen wird, die Dürener Kreisbahn, heute Rurtalbahn feiert in diesen Tagen ihren 25. Geburtstag.
Im Herbst 1986 treffen wir in Jülich eine Gruppe meist hoch betagter Menschen, die Bürgermeister Heinz Schmidt und der Stadtrat auf Initiative von Hilde Swalve in ihre alte Heimat eingeladen haben. Es sind ehemalige jüdische Mitbürger, die bis in die Nazi-Zeit in Jülich gelebt haben. Heinz Schmidt hält eine alle bewegende Begrüßungsrede und die Presse schreibt: Sie kamen als Gäste, sie gehen als Freunde. Ihr Abschiedsgeschenk ist eine großzügige Geldspende für das neue Stadtmuseum, das im neuen Kulturhaus untergebracht werden soll.
Unsere Jülicher SPD-Geschichte ist nicht nur eine Erfolgsgeschichte, es gab auch Misserfolge und Enttäuschungen. Die 24 Jahre nach 1994 – Jahre, die viele von Euch miterlebt haben – will ich unter den Aspekt von Erfolg und Misserfolg stellen.
Wann waren wir nicht erfolgreich?
– Es ist uns im Kommunalwahlkampf 1994 nicht gelungen, die Wähler davon zu überzeugen, dass die Landesgartenschau 1998 nicht nur eine einmalige Chance ist, den Brückenkopf mit Landeszuschüssen auszubauen und die Stadt zu verschönern, sondern der Park auch ein hervorragendes Freizeitangebot sein wird. Das Nein der CDU, vorgetragen von Peter Nieveler, bringt der CDU ein Plus von 6,5%. Sie erreicht 46,7% und die SPD verliert 3,1% und kommt auf 39,9 %. Und dann die Kehrtwende: Die Landesgartenschau kommt und der neue Bürgermeister Nieveler lässt sich feiern!
– Leider konnten wir die Abspaltung der JÜL von der SPD nicht verhindern. Es ist hier nicht der Platz, die möglichen Hintergründe zu erläutern. Die JÜL, mit Heinz Frey, tritt 2004 mit einer eigenen Liste an und bekommt auf Anhieb auf 19,5 %. Die SPD erreicht 26,2%.
– 2001 hat die SPD zusammen mit unserem Landtagsabgeordneten Hans Günter Hafke ein interessantes Schul- und Stadtentwicklungskonzept entwickelt. Schon damals spricht man von einer maroden Stadthalle, die ersetzt werden muss. Die Pläne sehen vor, auf dem Gelände der Stadtwerke eine neue Stadthalle zu errichten mit 600 Sitzplätzen. Auch die Finanzierung scheint gesichert, durch eine Sonderförderung des Landes wird das Konzept finanzierbar. Alles nachzulesen im Ortsgespräch 2001 mit einem Vorwort des OV-Vorsitzenden Martin Marquardt. Aber dieser Vorschlag findet im Stadtrat keine Mehrheit. Die SPD kann die CDU leider nicht für dieses Konzept begeistern und so werden sie von der CDU überstimmt (16 SPD gegen 21 CDU) Nicht nur aus heutiger Sicht sehr schade!
Genug des nicht Gelungenen!
Kommen wir zu den Erfolgsgeschichten
Eine unserer erfolgreichsten Einrichtungen ist das „Kleiderlädchen“: Die Idee, einen Second-hand-Laden für Kinderkleidung einzurichten, hatte Giny Marquardt, die damalige AsF-Vorsitzende mit den Frauen der Arbeitsgemeinschaft. Es begann 1977, zunächst halfen 7 Frauen, die sich abwechselten, mit. Giny Marquardt, Marlene Meyer und viele andere sind bis heute dabei, nach 41 Jahren! Alle arbeiten ehrenamtlich, den erwirtschafteten Gewinn verteilen sie jährlich. Viele soziale Einrichtungen, auch internationale und hilfsbedürftige Menschen konnten in den langen Jahren finanziell unterstützt werden. Die Summen sind beträchtlich: Bis 1994 konnte das Kleiderlädchen schon 100 000 DM verteilen. Heute sind die Summen noch viel größer.
In den 90er Jahren entstand die Idee, mit der „Klippe“ soziales Engagement in Jülich zu würdigen. Dann gab es eine lange Pause. Marco Emunds hat die „Klippe“ wieder sozusagen ausgegraben und die Klippe wird nun wieder jährlich an soziale Einrichtungen oder Einzelpersonen verliehen. 2018 an den Arbeitskreis Asyl.
Ein weiterer Erfolg: Das KuBa, der Kulturbahnhof. Nach langen Diskussionen, nicht nur mit den Anwohnern, konnte das Jugendkulturelle Zentrum 1996 eröffnet werden. Die Idee ging von den Jusos aus, unterstützt von anderen Jugendlichen und fand bald eine Mehrheit im Rat.
Zum Abschluss noch eine Geschichte, die vielversprechend begann, aber dann doch nicht zum Erfolg geführt hat. Die Aufstellung eines gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten von CDU und SPD, Frank Peter Ullrich, ein Novum in der Jülicher Geschichte. Es hätte ein gutes Vorzeichen für eine erfolgreiche und verständnisvolle Zusammenarbeit der beiden Fraktionen im Stadtrat werden können. Aber Frank Peter Ullrich erreichte zwar die Stichwahl, aber Axel Fuchs bekam die meisten Stimmen und wurde Bürgermeister.
Wo stehen wir Sozialdemokraten heute?
Die Sozialdemokraten sind schon längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen: Sie engagieren sich in vielen Vereinen, nicht nur in der AWO oder beim Lazarus Strohmanus. Sie werden auch schon mal Karnevalsprinz: Franz Josef Köhne in Stetternich und ganz aktuell Harald Garding in Lich Steinstraß. Sind das nicht gute Voraussetzungen, Bürgermeister von Jülich zu werden?
Und wir können uns freuen, dass es wieder mehr Menschen gibt, die sich für unsere Grundwerte Freiheit, Solidarität und soziale Gerechtigkeit einsetzen wollen und Parteimitglied werden. Wir haben eine junge, engagierte Frau als OV-Vorsitzende, Katja Böcking.
Liebe Katja, ich wünsche Dir viel Mut, Überzeugungskraft und langen Atem, damit Du die Jülicher SPD in eine erfolgreiche Zukunft führen kannst. Ich bin überzeugt, Du schaffst es! Aber Du brauchst auch viele solidarische Helfer, denn nur zusammen kann es gelingen, Willy Brandts Aufruf „Mehr Demokratie wagen“ in die Tat umzusetzen.
Das ist mein Wunsch zum 100. SPD-Geburtstag! Herzlichen Glückwunsch und Glück auf!